Zeitzeugin Monika Faber
Monika Faber ist nach der Kommunalwahl 1984 in die SPD eingetreten. Sie hat dann nach zwei Wahlsiegen mit Fred Bogdahn auch zwei Niederlagen erlebt – und den Neuanfang mit Bürgermeister Andreas Hügerich, der im Alter ihrer Kinder ist. Den Ruf der „roten Zora“ hat sie inzwischen abgelegt, erfährt Wertschätzung über Parteigrenzen hinweg und bleibt dabei, dass Gesellschaft und Demokratie vom Mitmachen leben. Heute ist sie stellvertretende Landrätin und Vorsitzende des VdK.
Monika, dein Terminkalender ist in kleiner Schrift vollgeschrieben. Landratsamt, Wasserwacht, Stadtrat, VdK... Was bewegt dich heute?
Ich bin vom Alter her jetzt Seniorin. Also engagiere ich mich für Senioren. Wir bauen gerade die Seniorengemeinschaft auf. Darin können ältere Menschen sich untereinander helfen. Das Problem ist doch, wenn die Mobilität einmal weniger wird, dass Vieles ungleich schwieriger wird. Die Fahrt zum Arzt genauso, wie der undichte Wasserhahn. Da möchten wir ansetzen und helfen. Das geht nur gemeinsam. Jeder muss das beitragen, was er kann, jeder soll bekommen, was er braucht. Wir machen das parteiunabhängig, aber da geht es um zutiefst sozialdemokratische Werte. Zum Beispiel geht es auch darum, dass Wohnen im Alter bezahlbar bleiben muss. Und da rede ich von Lichtenfels, noch gar nicht von Großstädten wie Erlangen oder gar München. Barrierefrei und seniorengerecht klingt gut, aber das muss bezahlbar sein. Dafür setze ich mich ein.
Du hast dich schon eingesetzt, lange bevor du in die SPD eingetreten bist. Was war dein Antrieb?
Mein Elternhaus war politisch. Das, was von außen als Konflikt wahrgenommen wurde, war für mich völlig normal. Ich nenne mal ein Beispiel, schließlich bin ich Kind einer Misch-Ehe. Das hatte einen fahlen Klang und ich wusste am Anfang gar nicht, was die Leute und Mitschüler meinten, wenn sie mir das wie ein Schimpfwort vorgeworfen haben. Mein Vater war evangelisch, meine Mutter katholisch. Für uns Kinder war es völlig normal, dass wir an einem Sonntag mit unserem Vater in einen evangelischen Gottesdienst gegangen sind und die Woche drauf mit der Oma in den katholischen. Wir haben Ökumene gelebt, völlig selbstverständlich.
Und was hat das mit der Politik zu tun?
Dass es da doch genau so ist. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden, ohne unsere Überzeugungen aufzugeben. Da sind wir in der Realität noch ein ganzes Stück entfernt, auch wenn es Fortschritte gibt. Ich bin nicht mehr die „rote Zora“, als die ich verschrien war, weil ich meine Meinung gesagt habe. Aber klar habe ich auch Angebote aus der CSU bekommen, doch zu ihnen zu kommen. Dann könnte ich meine Ziele viel leichter durchsetzen. Aber dafür meine Überzeugung aufgeben? Nein, das mache ich nicht. Ich bin in tiefstem Herzen Sozi. Und mit diesem Herzschlag setze ich mich für meine Ziele ein. Und ich freue mich über alle, die sich ebenfalls einsetzen. Natürlich am liebsten in der SPD – aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass sich möglichst viele einsetzen, in Vereinen, in Parteien, in Interessensgemeinschaften. Davon lebt unsere Gesellschaft, davon lebt unsere Demokratie. Als ich noch beim Kreisjugendring Vorsitzende war, haben wir versucht, Jugendlichen das mitzugeben.
Und, hat es funktioniert?
Was die Jugendarbeit betrifft sogar sehr gut und bis heute. Klar ist das Gebäude, das Jugendzentrum als Haus, bis heute sichtbar. Aber das ist doch viel mehr als ein paar Steine, die wir da 1997 aufgemauert haben. Wir haben damals gemeinsam mit den Jugendlichen ein Konzept entwickelt, das bis heute wirkt. Wir sind mit ihnen und der Architektin herumgefahren, haben uns andere Jugendzentren angeschaut und das für uns mitgenommen, was uns besonders passend erschien. Neben dem Haus sind das die Ansprechpartner, wenn es in den Familien oder im Leben der jungen Menschen Schwierigkeiten gibt. Aber auch das Fördern von persönlichem Einsatz. Heute sitzen einige von damals in den verschiedensten politischen Gremien, wie in Stadt- oder Gemeinderäten oder gar im Kreistag. Denn das wollten wir auch: für den gesamten Landkreis wirken. Dass es heute in den Kommunen Jugendbeauftragte gibt, geht auf unsere Arbeit damals zurück. Und übrigens auch das Ferienprogramm, das es am Anfang nur in den Sommerferien gab, dann auch in den Pfingstferien – Ebensfeld hat es inzwischen sogar in den Osterferien.
Das hört sich heute alles selbstverständlich an...
... war es damals aber überhaupt nicht. Familienthemen waren völlig unterbelichtet. Es war ein Aufschrei, als wir als Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Kitas gefordert haben. Die ASF habe ich 1983 mit Ruth Gärtner und Erika Müller gegründet. Wir wollten, dass Familien, die ihre Omas und Opas nicht vor Ort haben, die Möglichkeit einer Betreuung bekommen. Heute klingt das selbstverständlich, wir haben das damals schon gesehen und wurden angefeindet. Mit dem „internationalen Frauentag“, der daraus entstanden ist und den es bis heute gibt, wollten wir auf diese Themen hinweisen. Auch er ist parteiübergreifend, die Kirchen sind dabei und auch die Gewerkschaften. Es fehlen aber die jungen Frauen. Das ist leider so. Für sie ist das Thema erledigt, sie haben ihre Krippen, mehr interessiert scheinbar nicht.
Die Leute sind also nur zu erreichen, wenn es sie ganz persönlich und ihre individuellen Probleme betrifft?
Das ist leider so. Ich habe da noch kein Mittel gefunden. Als ich beim Kreisjugendring war, hätte ich mir das Verständnis der Älteren gewünscht. Heute, wenn ich mich für die Senioren einsetze, wünsche ich mir das der Jüngeren. Dieses Begreifen, dass es am Ende für alle gut und wichtig ist, das ist schwer zu bekommen. So geht es doch auch mit scheinbaren Niederlagen. Wie gehe ich damit um? Lasse ich mich entmutigen? Bei vielen ist das leider so – aber glücklicherweise nicht bei allen. Wir haben in den 1980er-Jahren Unterschriften gegen das Billinger-Konzept gesammelt, das ist die heutige Durchfahrtsstraße am Stadtkern vorbei und über Bahn und Main. Wir wollten warten, ob und wie die Autobahn kommt und eine Lösung finden mit den Einzelhändlern und Ärzten in der Innenstadt. Dafür haben 8 000 Wahlberechtigte aus Lichtenfels unterschrieben. Das war notariell beglaubigt. Das war der Wahnsinn. Von 11 000 Wahlberechtigten haben 8 000 dagegen unterschrieben – und der Stadtrat hat dann trotzdem dafür gestimmt. Da war der Frust groß und viele haben resigniert. Und die Folgen haben dann übrigens auch die Falschen aufs Brot geschmiert bekommen. Der Verkehr war aus der Innenstadt draußen, und Fred Bogdahn hat dann die Schelte für den leeren Marktplatz, den „Platz des himmlischen Friedens“, bekommen. Ich glaube, diese Unterschriftenaktion war der Grund, warum mich die SPD 1984 auch ohne Parteibuch auf die Liste gesetzt hat. Als Frau und ohne Mitgliedschaft, das war auch in der SPD vielen zuwider. Aber es war – denke ich – der Grund, warum ich dann so viele Stimmen bekommen habe. Ganze acht weniger als Fred Bogdahn. Er kam mit seinem Ergebnis in den Stadtrat – ich genau nicht, war aber erste Nachrückerin.
Du hast dich also nicht entmutigen lassen, wie viele andere?
Ich weiß heute noch mehr als ich es damals wusste, dass die Dinge ihre Zeit brauchen. Wir müssen in viel größeren Zeiträumen denken. Und wir dürfen eins nicht vergessen: Das Leben entsteht an der Basis. Für die Partei ist das der Ortsverein. Klar ist das eigentlich frustrierend, wenn ich weiß, dass beispielsweise so wenige Frauen Mitglied sind – und die Männer immer zusammenhalten. Die wählen in der Mehrheit keine Frauen, lieber noch einen Mann, den sie nicht so gut leiden können, aber immerhin ist es ein Mann. Ich darf jetzt mit Markus Püls einen Vorsitzenden im Ortsverein erleben, der das sehr offen angeht. Das freut mich. Und so ist es auch bei den Vereinen. Die Kontakte, das Gemeinschaftsgefühl, die Kameradschaft, sie entstehen auf der untersten Ebene. Dafür will ich mich einsetzen. Klar ist doch, dass es eine Zukunft nur mit Nachwuchs gibt. Wer nur an die Wahl denkt, ist auf dem falschen Dampfer. Wo fährt dein Dampfer nun noch hin?
Für mich schließt sich allmählich ein Kreis. Ich war als Schülerin Klassensprecherin, war als Mutter im Elternbeirat, habe mich für die Jugend eingesetzt – jetzt ist es das betreute Wohnen. Ich möchte das für alle bezahlbar bekommen und ich möchte, dass es überall Seniorenbeauftragte gibt. Mein Vater war Gewerkschafter, mein Großvater der letzte Sozialdemokrat im Stadtrat vor den Nazis. Ich habe von kleinauf gelernt, anzupacken und zu meiner Meinung und meinen Werten zu stehen. Und das bleibt so.
– Autor: Tim Birkner –