Der demokratische Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

Herbert Hauffe
Haus der bayrischen Geschichte

Die Lichtenfelser SPD in den Jahren 1945 bis 1950

Im Mai 1945 lag Deutschland am Boden, Städte und Infrastruktur waren weitestgehend zerstört, die Menschen paralysiert durch sechs Jahre Krieg, Not und mehr als ungewisse Zukunftsaussichten. Zwölf Jahre Nazidiktatur hatten zudem sämtliche demokratische Strukturen der Weimarer Republik zunichtegemacht, wobei das Parteienverbot ab 1933 vor allem die Parteien des linken Spektrums getroffen hatte. Mitglieder der SPD und der KPD waren in „Schutzhaft“ genommen, teilweise in Konzentrationslagern interniert worden. Viele der Inhaftierten erlebten das Kriegsende nicht.

Die alliierten Besatzungsmächte – in Süddeutschland, das heißt in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, waren dies die US-Amerikaner – standen nun vor der Aufgabe, die öffentliche Verwaltung und eine demokratische Parteienlandschaft wiederaufzubauen. Die amerikanische Besatzungsmacht verfolgte dabei neben der Entnazifizierung eine schrittweise Demokratisierung von unten nach oben. Primäres Ziel war die Wiederherstellung eines eigenständig funktionierenden, demokratisch legitimierten Verwaltungsapparates, der nur noch der Kontrolle, nicht aber der Mithilfe der Amerikaner bedurfte.

In den bayerischen Kommunen und Kreisen wurden durch die amerikanischen Standortkommandanten – zugegebenermaßen relativ undemokratisch – bereits kurz nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 Bürgermeister und Landräte kommissarisch eingesetzt. In der Regel waren dies die Amtsinhaber von vor beziehungsweise bis 1933. Aber die Zulassung der Parteien zur Vorbereitung freier, demokratischer Wahlen wurde sehr schnell in Angriff genommen. Die amerikanische Militärregierung ließ bereits im Spätsommer 1945 CSU, FDP, KPD und SPD auf Landesebene zu. Im Januar und April 1946 wurden bayernweit Wahlen zum Gemeinderat und zum Kreistag durchgeführt, im Juni 1946 folgte die Wahl zur verfassungsgebenden Landesversammlung.

Der SPD-Ortsverein Lichtenfels zur „Stunde Null“

Die Initiative zur Rekonstitution des Ortsvereins Lichtenfels kam von den „alten Genossen“, also von denjenigen, die sich bereits vor 1933 für die SPD kommunalpolitisch engagiert hatten. Das musste auch so sein, war doch die Partei zwölf Jahre verboten und hatte ihre politische Arbeit nur im Untergrund fortsetzen können. Zudem waren viele jüngere Parteimitglieder im Krieg gefallen, galten als vermisst oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft.

Dieser Wiederaufbau ist in Lichtenfels eng mit den Namen Fritz Eberth, Willy und Herbert Hauffe und Andreas Geldner verbunden.

Fritz Eberth war vor 1933 der letzte demokratisch gewählte Bürgermeister der Gemeinde Schney und wurde 1945 von den Amerikanern kommissarisch als Bürgermeister eingesetzt. Ihm und seinen Verhandlungen mit der Militärregierung ist die Wiederzulassung der SPD im Landkreis Lichtenfels maßgeblich zu verdanken.

Herbert Hauffe – „Architekt“ des SPD-Ortsvereins Lichtenfels Die Geschicke des Ortsvereins wurden nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich von Persönlichkeiten von außerhalb bestimmt, die aus privaten oder beruflichen Gründen nach Lichtenfels gezogen waren und sich hier in der SPD kommunalpolitisch engagierten. Dazu gehörte auch Herbert Hauffe.

Als Sohn von Willy Hauffe (Lichtenfelser Stadtrat 1946-1957, zeitweise Dritter Bürgermeister der Stadt) wurde er am 18. Februar 1914 in Bochum geboren. Durch den Beruf seines Vaters – Willy Hauffe war zum damaligen Zeitpunkt als Zeitungsredakteur und -verleger tätig, der durch seine sozialdemokratische Gesinnung und streitbare Haltung zwischen den beiden Weltkriegen wiederholte Male den Arbeitsplatz wechseln musste – wuchs er unter anderem in Recklinghausen, Stralsund, Greifswald und Breslau auf. In Schlesien absolvierte er eine Maurerlehre und arbeitete einige Jahre in seinem erlernten Beruf.

Aber Herbert Hauffe wollte sich weiterentwickeln und nahm ein Studium an der Bauschule Coburg auf, das er 1936 als bester Absolvent seines Semesters beendete. Die Ingenieurprüfung bestand er mit Auszeichnung und arbeitete bis Kriegsbeginn als Bautechniker und Bauleiter. In den Kriegsjahren 1939-1945 war Herbert Hauffe bei der Organisation Todt, der paramilitärischen Bauorganisation des NS-Regimes, eingesetzt. An der Ostfront erlitt er Ende März 1945 eine Verletzung, wurde mit einem der letzten Lazarettzüge aus Schlesien abtransportiert und in das damalige Reservelazarett Bad Steben gebracht.

Nach seiner Genesung machte er sich in Lichtenfels als Architekt selbstständig, setzte aber vor allem seine politische Arbeit für die SPD fort, die er bereits in den späten 20er-Jahren begonnen hatte: Von 1928 bis 1933 war Herbert Hauffe Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und der Gewerkschaft, trat dann 1932 mit 18 Jahren der SPD bei. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und das damit verbundene Parteienverbot betrafen Herbert Hauffe unmittelbar, war doch sein Vater unter den ersten Sozialdemokraten, die im Konzentrationslager Dachau inhaftiert wurden – Willy Hauffe hatte das Glück, nach zehn Monaten KZ-Haft entlassen zu werden.

Herbert Hauffe arbeitete nach Wiederzulassung der Parteien auf kommunaler Ebene 1945 intensiv am Wiederaufbau des SPD-Ortsvereins und -Kreisverbandes Lichtenfels. Er strebte aber in Lichtenfels kein öffentliches Amt an – in den Stadtrat wurde im Januar 1946 sein Vater Willy Hauffe gewählt –, engagierte sich als Architekt vielmehr für die Beseitigung der Wohnungsnot in Lichtenfels (siehe Exkurs: Die Gemeinnützige Baugenossenschaft e.G. mbH Lichtenfels, Seite 30).

Sein Einsatz wurde auf Parteiebene honoriert. Er wurde im Mai 1946 vom SPD-Unterbezirk Lichtenfels-Staffelstein zum Delegierten für die verfassungsgebende Landesversammlung gewählt, im Juni 1946 wurde er Unterbezirksvorstand. In diesem Amt wurde er 1947 und 1948 bestätigt.

Im September 1949 schaffte er als Nachrücker den Sprung in den Bayerischen Landtag, blieb dort unter anderem als Mitglied im Wohnungs- und Siedlungsausschuss und im Flüchtlingsausschuss „seinen“ politischen Themen und damit seiner sozialdemokratischen Gesinnung treu. 1953 legte er sein Landtagsmandat nieder und war bis 1969 Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag. Für seine politischen und gesellschaftlichen Verdienste erhielt er 1965 den Bayerischen Verdienstorden, 1968 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Herbert Hauffe, der am 21. Mai 1997 in Bayreuth starb, war die treibende Kraft beim Wiederaufbau des SPD-Ortvereins Lichtenfels nach dem Krieg. Er war aber auch zeit seines Lebens der Gemeinde Schney und hier vor allem dem SPD-Ortsverein und der Freien Turnerschaft sehr zugetan. Er wohnte bis zu seinem Umzug nach Bayreuth im Jahr 1956 in der Schney und kümmerte sich auch in den folgenden Jahren weiter um sein „Sorgenkind“: er hatte sich stark für den Erwerb und den Ausbau des Schlosses Schney durch die Freie Turnerschaft eingesetzt.

Am 2. November 1946 fand im Bergschloss Lichtenfels eine Feier zum einjährigen Wiedererstehen des SPD-Ortsvereins statt. Leider ist nicht bekannt, ob der Ortsverein tatsächlich am 2. November 1945 offiziell wiedergegründet wurde, oder ob dies bereits im Oktober oder zu einem späteren Zeitpunkt im November der Fall war. Es liegt eine Abschrift der Mitgliederliste aus dem Jahr 1945 vor, wonach im Zeitraum 5. Oktober bis 18. November 1945 insgesamt 41 Männer und eine Frau dem Ortsverein beigetreten sind, darunter auch einige Vertriebene aus Schlesien und dem Sudetenland. Die vielen Parteieintritte am 20. Oktober und 18. November – insgesamt 25 – lassen die Spekulation zu, dass an diesen beiden Tagen die ersten Ortsvereinsversammlungen stattgefunden haben könnten.

Die ersten freien Wahlen 1946 und 1948

Im Januar 1946 fanden wie in ganz Bayern auch in Lichtenfels die ersten freien Kommunalwahlen seit 1933 statt. Die SPD konnte dabei 22,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen und stellte mit Karl Braun, Andreas Geldner und Willy Hauffe drei Stadträte. In der Stadtratssitzung vom 30. Januar 1946 wurde Willy Hauffe zum Dritten Bürgermeister der Stadt gewählt, den Ersten und Zweiten Bürgermeister stellte die CSU.

Andreas Geldner – ein „Burgberger“ und überzeugter Sozialdemokrat Der „Geldners Reser“, so nannten ihn Freunde und Bekannte, war, wenn man von den heutigen Grenzen des Stadtgebietes ausgeht (die Stadtteile Oberwallenstadt und Burgberg waren damals eigenständige Gemeinden), der einzige gebürtige Lichtenfelser unter den genannten Initiatoren zum Wiederaufbau des SPD-Ortsvereins.

Andreas Geldner wurde am 18. November 1888 in Oberwallenstadt geboren und wuchs dort auf. Er arbeitete 43 Jahre, zuletzt als erster Gattersäger (Vorarbeiter), beim Lichtenfelser Sägewerk der Gebrüder Rupp, wohnte dabei Jahrzehnte bis zu seinem Tod am 30. Januar 1956 in der Oberen Brunnengasse am Burgberg.

Der SPD trat er laut seinem Mitgliedsbuch 1918 bei – leider lässt sich nicht mehr exakt rekonstruieren, ab wann er kommunalpolitisch tätig war: Eine Quelle nennt das Jahr 1909, zwei weitere Quellen die Jahre 1919 und 1927. Fakt ist, dass er 1929 im Zuge der Eingemeindung der Gemeinde Burgberg nach Lichtenfels bereits Burgberger Gemeinderat war und anschließend in den Lichtenfelser Stadtrat gewählt wurde. Der Stadtratsfraktion der SPD gehörte er bis 1933 an, wurde dann wie viele andere Genossen inhaftiert. Dauer und Umstände der „Schutzhaft“ sind nicht bekannt.

Nach Ende des Krieges wirkte er beim Wiederaufbau des SPD-Ortsvereins tatkräftig mit, war nach Herbert Hauffe (5. Oktober 1945) das zweite Mitglied (15. Oktober 1945) im wiedergegründeten Ortsverein. Im Januar 1946 wurde er von den Lichtenfelsern erneut für die SPD in den Stadtrat gewählt und gehörte diesem Gremium bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden 1954 an.

Andreas Geldner hat sich in seiner Funktion als Stadtrat nicht nur für „seine“ Burgberger engagiert, er war stets darauf bedacht, Ansprechpartner für alle Bürger zu sein und deren Belange zu vertreten. Da passt es ins Bild, dass er bereits vor 1933 Vorsitzender der Selbstverwaltung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Lichtenfels war. Nach dem Krieg war ihm vor allem die Beseitigung der Nahrungsmittelknappheit ein Anliegen. Er wirkte maßgeblich am Aufbau der Konsumgenossenschaft Schney mit und kümmerte sich um den Aufbau von Verteilungsstellen in Lichtenfels – in Lichtenfels gab es keine vergleichbare Initiative der SPD.

Trotz mehrerer Schicksalsschläge – seine Frau und seine älteste Tochter wurden Opfer einer Typhus-Epidemie, er selbst verlor bei einem Arbeitsunfall ein Bein und musste in der Folge seinen Beruf aufgeben – beschreiben ihn seine Zeitgenossen nie als verbittert oder ungerecht. Im Gegenteil, wegen seiner Geradlinigkeit und Toleranz wurde er von seinen Stadtratskollegen geschätzt und auch vom politischen Gegner geachtet. Einen Tag nach seinem Tod würdigte ihn der damalige Lichtenfelser Bürgermeister Johann Unrein im Rahmen einer Stadtratssitzung mit den Worten: „Wir alle, die mit diesem ehrenwerten Mann zusammenarbeiten konnten, kannten und schätzten ihn als einen Mann des Ausgleichs. In schwierigen Situationen war er derjenige, der immer wieder die richtigen Worte fand. (…)“

Am 25. April 1948 fanden erneut Kommunalwahlen statt. Im Vergleich zur Wahl 1946 konnte die SPD dabei einen Sitz zusätzlich erringen und zog mit Andreas Geldner, Willy Hauffe, Edmund Konradi und Andreas Scherer in den Lichtenfelser Stadtrat ein. Nachdem durch Stadtratsbeschluss die Zahl der Bürgermeister auf zwei begrenzt wurde und Willy Hauffe dem CSU-Kandidaten bei der Wahl zum Zweiten Bürgermeister unterlag, stellte die SPD in dieser Legislaturperiode allerdings keinen Bürgermeister. Als ältester Stadtrat bekleidete Willy Hauffe das Amt des ersten öffentlichen Klägers der Spruchkammer der Stadt Lichtenfels. Diese Spruchkammer diente zur Aufklärung von Naziverbrechen.

Andreas Geldner war neben seiner Stadtratsfunktion zwischen 1946 und 1948 auch Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, sein Stadtratskollege Edmund Konradi zweiter Vorsitzender. Weitere Vorstandsmitglieder waren die Vertreterin der SPD in Frauenfragen, Anna Wittig, und Friedrich Höltermann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag.

Die drei großen Probleme der Nachkriegszeit: Wohnungsnot, Nahrungsmangel und Arbeitslosigkeit

Wohnungsnot Der akute Wohnraumbedarf im Stadtgebiet nach Ende des Krieges war weniger eine Folge kriegsbedingter Zerstörungen – es gab bis Mai 1945 keine nennenswerten Kampfhandlungen in und um Lichtenfels – als vielmehr eine Folge der hohen Zahl an Flüchtlingen und Evakuierten. Im April 1947 waren dies auf Kreisebene 16.500 Personen, gegenüber den Vorjahren entsprach dies einem Bevölkerungszuwachs von 45 Prozent!

Die CSU als Mehrheitspartei im Stadtrat versuchte das Problem der Wohnungsnot durch Beschlagnahmungen und Zwangseinquartierungen zu lösen. Zu diesem Zweck wurde im Stadtrat 1947 eine parteiübergreifende Wohnungskommission ins Leben gerufen und für die Haus- und Wohnungseigentümer auf der einen und Wohnungssuchenden auf der anderen Seite eine entsprechende Beschwerdeinstanz gegen die Beschlüsse der Wohnungskommission geschaffen. Als Vertreter der SPD wirkte Stadtrat Karl Braun in beiden Gremien mit und musste bereits im November 1947 öffentlich auf Missstände im Wohnungsamt hinweisen: Beamte hatten wohl gegen persönliche Vorteilsnahme Kleinfamilien in Vier- bis Fünfpersonenwohnungen untergebracht, während Familien mit mehreren Kindern in Einraumwohnungen leben mussten.

Zum Thema Beschlagnahmungen und Zwangseinquartierungen stellte die SPD-Stadtratsfraktion diverse Anträge: Willy Hauffe schlug vor, zuerst Möglichkeiten der Beschlagnahme bei Parteigenossen zu prüfen und zu nutzen (!), bevor man bei Nichtgenossen Wohnungssuchende zwangseinquartiert. Andreas Geldner stellte den Antrag, zusätzlich zur Wohnungskommission und zur Beschwerdeinstanz eine Wohnungskontrollkommission einzusetzen, die für Gerechtigkeit bei der Verteilung des beschlagnahmten Wohnraums sorgen sollte. Diese sollte mit je einem Vertreter der Parteien und einem Vertreter der Wohnungssuchenden besetzt sein, auch um das Ausmaß der Beschlagnahmungen korrekt abbilden zu können.

Diese sehr bürokratischen Ansätze zur Umverteilung von Wohnraum waren gut gemeint, beseitigten aber nicht das eigentliche Problem – den Wohnraummangel.

Als Gegenentwurf zu den Bemühungen der CSU und zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum plante die Lichtenfelser SPD die Gründung einer gemeinnützigen Baugenossenschaft nach Schneyer Vorbild. Dort hatte es bereits vor 1933 eine von der SPD initiierte Baugenossenschaft gegeben, diese war nach dem Krieg aber nicht wieder ins Leben gerufen worden. Die Wohnraumsituation war in Schney weniger angespannt als in Lichtenfels.

Die gemeinnützige Baugenossenschaft e.G. mbH Lichtenfels Unter der Überschrift „Schaffung von Wohnraum ist die dringlichste Tagesfrage“ fand am 7. November 1946 die Gründungsversammlung der gemeinnützigen Baugenossenschaft Lichtenfels statt. SPD-Kreisrat Friedrich Höltermann hatte alle interessierten Bürger eingeladen, Architekt Herbert Hauffe erläuterte das von ihm konzipierte Bauprogramm „Schaffung von Wohnraum in Zehnfamilienhäusern“. Er betonte dabei, dass das primäre Ziel die Beseitigung des Wohnungsmangels sei, nicht die Schaffung von Idealwohnungen.

Die Eintragung der gemeinnützigen Baugenossenschaft e.G. mbH Lichtenfels erfolgte am 28. Januar 1947, die erste Mitgliederversammlung fand noch am selben Tag statt. Architekt Herbert Hauffe wurde in den Vorstand berufen, Friedrich Höltermann in den Aufsichtsrat gewählt. Im Rahmen der Veranstaltung führte Herbert Hauffe aus, dass auf Grund der Baustoffknappheit kein Bau von Einfamilienhäusern möglich sei. Man habe sich deshalb für den Bau von Mehrfamilienhäusern unter Verwendung heimischer Baustoffe (unter anderem Jurakalkstein) entschieden.

Bereits vor Gründung der gemeinnützigen Genossenschaft hatte die SPD im Stadtrat einen Antrag auf Förderung des Wohnungsbaus und der Baugenossenschaften gestellt. Teil dieses Antrags war das vorgenannte „Zehnfamilienhaus“ aus dem Wohnungsbauprogramm von Herbert Hauffe. Um das Wohnungsbauprogramm der SPD zu erproben, wurde vom Stadtrat der Bau des sogenannten „Kreishauses“ genehmigt. Durch die Größe des Hauses, die Baustoffknappheit und den Mangel an Transportmitteln verzögerte sich die Fertigstellung erheblich. Nach dem Richtfest im August 1948 konnten erst im Dezember 1948 die ersten Wohnungen im „Kreishaus“ bezogen werden (auch heute noch ist das „Steinerne Haus“ in der Viktor-von-Scheffel-Straße im Landkreisbesitz).

Diese Bauverzögerungen und Berechnungen Friedrich Höltermanns, wonach Lichtenfels 1.500 Wohnungen, also 150 „Kreishäuser“ zusätzlich benötigte, veranlassten Herbert Hauffe sein Wohnungsbauprogramm zu überarbeiten. Dies sah nun den Bau von Kleinhaustypen vor, mit deutlich kürzerer Bauzeit und Platz für zwei Familien. Der Stadtrat befürwortete die Programmänderungen und verpachtete der Genossenschaft nicht nur ein Baugrundstück in Seubelsdorf, sondern stellte zusätzlich einen Kredit von 30.000 Mark zum Bau von acht Zweifamilienhäusern bereit.

In den folgenden Jahren entwickelte sich die Baugenossenschaft für die Stadt Lichtenfels zu einem bedeutenden Bauträger. Mit der Beseitigung der Baustoff- und Transportmittelknappheit wurden mehr und auch größere Wohnhäuser gebaut: Ende März 1960 wurde in der Friedrich-Ebert-Straße ein Sechsfamilienhaus eingeweiht und damit die insgesamt 62. genossenschaftliche Wohnung fertiggestellt. Selbst die Wohnbauten am Breiten Rasen gehen zum Teil auf die Baugenossenschaft zurück, 1968 wurde dort ein neunstöckiges Gebäude mit insgesamt 27 Wohneinheiten errichtet.

Die gemeinnützige Baugenossenschaft Lichtenfels e.G. mbH existiert heute noch, hat aber aktuell an Bedeutung verloren und arbeitet weitestgehend mit dem Wohnungsbestand. Ihr Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren ist allerdings unbestreitbar groß.

Nahrungsmangel Die Sommer 1945 und 1946 waren sehr heiß und trocken, die darauffolgenden Winter ungewöhnlich kalt und lang andauernd. Als Folge verschärften Ernteausfälle die ohnehin katastrophale Ernährungslage in Nachkriegsdeutschland. So dauerte der Winter 1946/47 von November 1946 bis Ende März 1947 und ging als „Hungerwinter“ und einer der kältesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Deutschland in die Geschichte ein. Die Versorgungslage war so schlecht, dass der damalige Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings in seiner Silvesterpredigt selbst Mundraub für den Eigenbedarf rechtfertigte. Im Volksmund wurde das Organisieren von Kohle, Holz und Nahrungsmitteln darauf hin auch „fringsen“ genannt.

Die Stadt Lichtenfels blieb vom akuten Nahrungs- und Gebrauchsgütermangel in den Nachkriegsjahren nicht verschont. Während die SPD Schney dieses Problem durch die Gründung eines Konsumvereins, wie er bereits vor 1933 bestanden hatte, zu lösen versuchte, ist für Lichtenfels keine vergleichbare Initiative der SPD belegt. Vielmehr profitierte die Lichtenfelser Bevölkerung vom Aufbau einiger Verteilerstellen des Konsumvereins Schney im Stadtgebiet – der SPD-Stadtrat Andreas Geldner setzte sich hier besonders ein.

Ansonsten gab es zum Thema Nahrungsversorgung lediglich Presseverlautbarungen der Lichtenfelser SPD und Anträge im Stadrat. In einem Zeitungsartikel vom 23. November 1946 kritisierte Herbert Hauffe die Politik der bayerischen Staatsregierung, wichtige Bedarfsgüter zu lagern, während in der Bevölkerung Not an diesen Dingen herrsche. In diesem Zusammenhang forderte er auch eine stärkere Kontrolle und Lenkung der Wirtschaft durch den Staat. Dass er sich im Juni 1948 für die Verteilung der im Keller des katholischen Pfarramtes Lichtenfels eingelagerten Kartoffeln – es müssen um die fünf Tonnen gewesen sein – an die Bevölkerung einsetzte, ist eher eine Randnotiz.

Arbeitslosigkeit Arbeit war nach dem Krieg ein knappes Gut, so meldete im Juni 1946 das Arbeitsamt Coburg für die Stadt und den Landkreis Lichtenfels nahezu 8.000 Arbeitssuchende. Wie auf dem Wohnungsmarkt zeigten sich auch auf dem Arbeitsmarkt die Folgen des Bevölkerungsanstieges durch die hohe Anzahl an Flüchtlingen und Evakuierten, vor allem aus Schlesien und dem Sudetenland. Die SPD und ihre Fraktion im Stadtrat Lichtenfels war sich darüber im Klaren, dass kommunale Maßnahmen nur einen kleinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten konnten.

Die Informationen zu diesem Thema sind insgesamt recht dürftig. In der Facharbeit „Das Wiedererstehen der SPD in Lichtenfels nach 1945“ von Ralf Haselmann aus dem Jahr 1992 findet sich folgende Zusammenfassung der Quellen:

„(…). Eine Lösung hoffte man bei der Beschäftigung in der Baubranche zu finden. So glaubte man, durch die Unterstützung der Vorhaben der gemeinnützigen Baugenossenschaft Arbeitsplätze sowohl beim Bau der Häuser als auch bei der Gewinnung und beim Transport des verwendeten Jura-Steins zu schaffen.

Die Stadträte der SPD, Braun und Geldner, versuchten die Arbeitssuche und die Arbeitsbedingungen möglichst gerecht zu gestalten.

Andreas Geldner beantragte, die Ausschreibung der freien Stellen nicht mehr nur an der Amtstafel des Rathauses zu tätigen, sondern sie in der örtlichen Presse und im Amtsblatt der Stadt Lichtenfels auszuschreiben, da nicht jeder Arbeitssuchende täglich die Möglichkeit hätte, sich an der Amtstafel nach Arbeitsstellen zu erkundigen. Der Vorsitzende des allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes Lichtenfels, Stadtrat Braun, versprach die Wahrung und Verbesserung der Rechte der Arbeiter im Landkreis Lichtenfels. (…)“

Weitere Aktivitäten und die Ergebnisse dieser Vorhaben sind nicht belegt.

Die Jahre 1948 – 1950: Was sonst so geschah

Am 24. Januar 1948 hielt der SPD-Ortsverein Lichtenfels seine Generalversammlung ab. Die bisherige Vorstandschaft mit Andreas Geldner als erstem und Edmund Konradi als zweitem Vorsitzenden wurde einstimmig wiedergewählt.

Im Februar 1948 musste sich Willy Hauffe, langjähriges SPD-Mitglied und selbst Öffentlicher Kläger der Spruchkammer Lichtenfels zur Aufklärung von Naziverbrechen, gegen den Vorwurf wehren, Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Der Öffentliche Kläger der Spruchkammer Weismain hatte die eidesstattliche Erklärung eines mehr als zweifelhaften Kronzeugen vorgelegt, der Hauffe mit NSDAP-Parteiabzeichen gesehen haben wollte. Pikant dabei war, dass der Weismainer Kollege bereits in mehreren Fällen SPD-Mitglieder mit derartigen eidesstattlichen Falschaussagen diffamiert hatte.

Der SPD-Ortsverein Lichtenfels begann am 13. März 1948 den Kommunalwahlkampf mit einer öffentlichen Versammlung im Bergschloss, Redner des Abends war Martin Albert, Landtagsfraktionssekretär des SPD, der sich eingehend mit der Frage „Was soll werden?“ beschäftigte. Dabei berührte er sehr viele Themen, vom Zustand der Demokratie nach zwölf Jahren Nazidiktatur, über die wirtschaftliche Vereinigung Deutschlands, bis hin zur steigenden Zahl von Schwarzschlachtungen.

Am 30. März 1948 diskutierte der Lichtenfelser Stadtrat sehr lebhaft über die künftige Verwendung des Schützenhauses. Zur Debatte standen: Errichtung eines Gast- und Schankgewerbes, Nutzung als Kino – es wäre das zweite Kino in Lichtenfels –, als Jugendheim beziehungsweise als Sporthalle für Jugendliche. Nach langem Für und Wider beschloss das Gremium, das Schützenhaus sobald als möglich zu kaufen oder zu pachten. Dafür hatte sich auch Dritter Bürgermeister Willy Hauffe (SPD) ausgesprochen, der das Schützenhaus unbedingt für die Allgemeinheit erhalten wollte.

In der Diskussion um eine mögliche Nutzung des Schützenhauses als zweites Kino gab es kritische Äußerungen darüber, dass im bereits bestehenden Kino zehn bis zwölf Jahre alte Kinder alleine die Vorstellungen besuchten und Eltern vereinzelt ihre vier bis fünf jährigen Kinder mitbrachten.

„Wir sind keine Hungerdemokraten!“ So titulierte die SPD Lichtenfels im Mai 1948 eine Hungerdemonstration auf dem Marktplatz in Lichtenfels. Eine im Rahmen der Protestveranstaltung einstimmig angenommene Resolution wurde der Zivilen Militärregierung in Lichtenfels übergeben.

Am 29. Mai 1948 trat der neugewählte Lichtenfelser Stadtrat zu einer ersten Sitzung zusammen. Der SPD-Stadtrat Willy Hauffe wurde als Alterspräsident in den Wahlausschuss berufen, zum Ersten Bürgermeister wurde Dr. Julian Wittmann (CSU) gewählt.

Am 18. Juni 1948 verkündeten die Militärregierungen der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone die Gesetze, die die Währungsreform einleiteten.

Erster Bürgermeister Dr. Wittmann gab in einer Stadtratssitzung im Juli 1948 bekannt, dass die Stadt durch die Währungsreform keinen finanziellen Spielraum mehr hätte. Seit dem 21. Juni 1948 gebe es keine ordentlichen Einnahmen mehr, auch wurde der Bargeldbestand der Stadt entsprechend dem Gesetz nicht aufgewertet.

Unter Ausschluss Deutschlands fanden vom 29. Juli bis 14. August in London die XIV. Olympischen Spiele statt.

Wegen umfangreicher Schwarzschlachtungen in den Jahren 1946 bis 1948 wurde Ende August 1948 eine Metzgersfamilie aus Lichtenfels von der Kriminalpolizei Coburg verhaftet. Den Ermittlungen zufolge waren im Jahr 1946 zwei bis drei Rinder, acht bis zehn Kälber und zwei bis drei Schweine, 1947 acht bis zehn Kälber, zwei Schweine und zwei Schafe und 1948 zwei bis drei Kälber illegal und zur persönlichen Bereicherung schwarzgeschlachtet worden.

Im Mai 1949 wurde Dr. Thomas Dehler, Landtagsabgeordneter, Landesgerichtspräsident und Landesvorsitzender der FDP, Ehrenbürger der Stadt Lichtenfels.

„Sterben kostet weiter“, so lautete die Überschrift im Lichtenfelser Tagblatt vom 4. Oktober 1949. In der Stadtratssitzung am 3. Oktober 1949 erfolgte eine lebhafte Aussprache über eine neue Bestattungsgebührenverordnung. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für den Stadtfriedhof keine derartigen Regelungen. Im Rahmen der Beschlussfassung wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Leichenträger nicht mehr in „Speck und Dreck“ zu den Beerdigungen kommen sollten. Der Friedhofsreferent, Stadtrat Mahr, sicherte dies zu.

Der SPD-Ortsverein prangerte in einer Presseverlautbarung vom 6. Oktober 1949 die Wohnbedingungen einer siebenköpfigen Familie an, die in einem nur wenige Quadratmeter großen Dachraum untergebracht waren. Aus Protest gegen diese skandalösen Zustände drohte die SPD, ihre Vertreter aus dem Wohnungsausschuss der Stadt Lichtenfels abzuziehen.

Im Oktober 1949 verabschiedet die Stadt Lichtenfels nach heftigen Etat-Debatten einen Haushaltsplan in Höhe von einer Million D-Mark. Zur Überwachung des Haushaltes wird im November ein Finanz- und Sparausschuss eingesetzt.

Das Siedlungswerk der St.-Josef-Stiftung feiert im November 1949 Richtfest bei ihrem ersten großen Bauvorhaben in Lichtenfels. In der Wendenstraße wird als erster Abschnitt einer geplanten Wohnanlage ein Mehrfamilienhaus errichtet.

Bei der Landtagswahl am 26. November 1950 wird die SPD im Landkreis Lichtenfels stärkste politische Kraft.

Autor: Oliver Leidnecker